Samstag, 10 November 2007 00:00

Toxikologie dentaler Kunststoff-Restaurationsmaterialien

Referent:

Zum Inhalt des Vortrags:

Bislang stand im Zentrum der wissenschaftlichen Forschung vor allem die Entwicklung dentaler Materialien mit ausreichenden physikalisch-mechanischen Eigenschaften. Inzwischen erlangen auch Fragen nach der Toxikologie dieser Werkstoffe wachsendes Interesse. (Ko)Monomerverbindungen werden in der Zahnmedizin z.B. in Komposit-Zahnfüllungen und Dentinadhäsiven verwendet. Diese Verbindungen können aus diesen Zahnwerkstoffen freigesetzt und nach der Resorption in den menschlichen Organismus gelangen.
Um die Toxikologie von Zahnwerkstoffen ermitteln und vergleichen zu können, müssen bestimmte Testverfahren eingesetzt werden. Man unterscheidet hier: In-vitro-, In-vivo- und In-calculo-Methoden, sowie Tests z.B. auf Cytotoxizität, Mutagenität, Cancerogenität, Embryotoxizität oder Teratogenität. Ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung der Toxikologie ist die Aufklärung der Clearance (Resorption, Distribution, Metabolismus, Elimination) einer Substanz im Organismus. Nur resorbierte Substanzen können Schadwirkungen auslösen. Ein wichtiger aber komplexer Punkt ist die Aufdeckung des Metabolismus der zu untersuchenden Substanz. In Tierstudien konnte gezeigt werden, dass die aus Kompositen freigesetzten und verschluckten (Ko)Monomere Hydroxymethacrylat (HEMA), Triethylenglycoldimethacrylat (TEGDMA) und Bisglycidylmethacrylat (BisGMA) vollständig resorbiert und im Körper zu Kohlendioxyd abgebaut werden. Es konnte ferner gezeigt werden, dass bei dieser Verstoffwechselung Intermediate gebildet werden können, die ihrerseits wieder starke toxische Wirkungen zeigen können - also „gegiftet“ werden. Beim Abbau von HEMA und TEGDMA konnte in menschlichen Lebermikrosomen sogar die Bildung des Epoxy-Intermediats 2,3-Epoxymethacrylsäure nachgewiesen werden. Epoxy-Verbindungen gelten als cancerogene und mutagene Verbindungen.
Für eine wissenschaftlich fundierte Risikoabschätzung muss jedoch bekannt sein, wie viel von einer Substanz aus den Materialien freigesetzt wird, wie viel tatsächlich vom Organismus resorbiert wird und ab wann mit gesundheitlichen Problemen bei Betroffenen zu rechnen ist. Auch hier gilt der Leitsatz von Paracelsus „Die Dosis macht das Gift“.
(Ko)Monomere erreichen im Speichel des Menschen nach der Elution aus Komposit-Füllungen maximal ‚nur’ micromolare Konzentrationen. Toxische Wirkungen dieser Stoffe treten jedoch erst im millimolaren Bereich auf. Signifikante mutagene Effekte in Zellen treten erst bei (Ko)Monomer-Konzentrationen in vitro auf, die um den Faktor 5000 höher liegen, im Vergleich zur physiologischen Situation bei Komposit-Trägern.
Es gibt zwar die Anschauung, dass ein einziges mutagenes DNA-Ereignis einen Tumor induzieren kann. Dies ist aber mehr oder weniger nur von theoretischer Natur. Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass durch die körpereigenen DNA-Reparatur- bzw. Kompensationssysteme im intakten Organismus sehr wohl Reversibilität und Heilung eintreten können. Dennoch ist bekannt, dass bei wenigen Personen auch Nebenwirkungen/Überempfindlichkeitsreaktionen (z.B. Hautreaktionen) bei subtoxischen Dosen auftreten können. Weiter muss erwähnt werden, dass durch den gehäuften Umgang mit diesen Substanzen und den längeren Expositionszeiten gegenüber diesen Methacrylaten insbesondere bei Personen in zahnärztlichen Berufen in der letzten Zeit eine Zunahme von Allergien und respiratorischer Hypersensibiltät sowie von Asthma zu beobachten ist.
Der Nachweis von Eigenschaften in In-vitro-Systemen kann nur ein Hinweis auf eine mögliche Gefahr sein, da die vielfältigen Reparatur- und Kompensationsmöglichkeiten komplexer Organsysteme im gesamten Tier (Mensch) in diesen Modellen nicht erfasst werden können. Umgekehrt schließt ein negatives Resultat in einem In-vitro-Test nicht sicher aus, dass ein Stoff beim Menschen doch eine Wirkung zeigt.
Ziel sollte es sein neue, weniger (Ko)Monomer-freisetzende Zahnmaterialien zu entwickeln, die damit zur geringeren Belastung im menschlichen Körper führen und deshalb das Risiko einer möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigung minimieren helfen.